Aus: Bote vom Untermain, Ausgabe 10.Juli 2012

Tausende begeistert vom Zapfenstreich
Franz-Josef Riegel beendet mit 150 Blasmusikern die Miltenberger 775-Jahr-Festwoche
Miltenberger 775-Jahr-Feier Er wollte die Massen begeistern und Emotionen auslösen - und hat auch das geschafft: Als am Sonntagabend auf den Trommelschlag genau der Befehl »Helm ab zum Gebet« folgte, und die Glocken der Pfarrkirche am Marktplatz läuteten, atmete Franz-Josef Riegel auf. Bis dahin hat der Dirigent die Fäden für 150 Musiker aus sechs Kapellen sowie Mitgliedern von Schützenverein Feuerwehr Miltenberg in sicherer Hand gehalten.

Das Ziel: Den großen Zapfenstreich als abschließenden Höhepunkt der Miltenberger 775-Jahr-Festwoche aufzuführen, und zwar mit aller glorreichen Ergriffenheit und einer erhabenen Inszenierung, die dafür notwendig ist. Um dieses feierliche Spektakel aus nächster Nähe mitzubekommen, hatte sich der Marktplatz in Miltenberg bereits gegen 20.30 Uhr mit Hunderten von Besuchern gefüllt, angelockt von den Hundert Stimmen der Mitglieder der Stimmart Collenberg und der Sängervereinigung 1864 Trennfurt unter der Leitung von Vera Fischer, die gemeinsam mit dem Musikverein Collenberg die Zuhörer auf den großen Auftritt vorbereiteten.

Der große Zapfenstreich als Abschluss und Höhepunkt der Festwoche
Erlesenes Repertoire
Das Ensemble des »kleinen Abendkonzerts« bot vor der Fachwerkkulisse am Schnatterloch ein erlesenes Repertoire: Neben Spirituals und dem Freiheitsgesang »Conquest of Paradise« beeindruckte es mit einem Potpourri beliebter Werke italienischer Opern, wie dem Freiheitsgesang aus Guiseppe Verdis »Gefangenenchor« oder dem Trinklied aus »La Traviata«. Gegen 21.30 Uhr ging dann das von Riegel angekündigte »Chaos« los: »Wo bleiben die Kapellen?« fragte er. Die bahnten sich aus allen Gassen strömend einen Weg durch die inzwischen Platz und Seitenstraßen füllende Menge: die Fränkischen Rebläuse und die Germania Bürgstadt, die Stadtkapelle Freudenberg sowie die Musikvereine Großheubach und Rüdenau stießen zum Musikverein Collenberg hinzu.

Stilecht in Frack und Zylinder
Los ging's traditionsgemäß mit der Serenade, den historischen Märschen und dem Locken der Trommler und Bläser. Detailgetreu hielt sich Riegel an den Klassiker aller Zapfenstreich-Versionen: Den »Großen Zapfenstreich« von Wilhelm Friedrich Wieprecht, Direktor des Preußischen Gardekorps, der den Zapfenstreich in dieser Form 1838 erstmalig in Berlin aufgeführt hatte. Als dieser präsentierte sich Riegel stilecht in Frack und Zylinder, passend zum erhabenen Ambiente am Marktplatz. Bei schönstem und vor allem trockenen Sonnenuntergang - eine Alternative zu diesem Schauspiel hätte es bei schlechtem Wetter nicht gegeben - lauschten und beobachteten an die 2000 Besucher das Spektakel des großen Zapfenstreichs: Die Menge hielt sich an Riegels Bitte, zwischen den Zeremoniellen wie »Helm auf!« und den einzelnen Märschen nicht zu klatschen, was der Darstellung einen fast mystischen und ehrfürchtigen Anstrich verlieh - verstärkt durch die flankierenden Fackelträger in historischen Kostümen. Die Musiker agierten hochkonzentriert. Wer ihren Dirigenten beobachtete, konnte die Anspannung spüren, mit der Riegel auf die Uhr blickte, Einsätze in verschiedene Richtungen gab, immer wieder aufatmend, nickte und leise sagte: »Gut gemacht.«

Inbrünstige Hymne
Der große Zapfenstreich endete ganz im Sinne der Tradition mit einer inbrünstigen Nationalhymne, mitgesungen und getragen von der Masse. Bravos, tosender Beifall. Rechtzeitig bevor der Himmel sich verdunkelte, spielte ein erleichterter Riegel und 150 glückliche Musiker die letzten Zugaben. Und gegen 22.30 Uhr war dann wirklich Zapfenstreich. Sylvia Breckl




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